Die schwarzen Paradiese des Anthropozän.
Zur Kritik der Berechenbarkeit
Das Anthropozän, das Paul Crutzen mit dem späten 18. Jahrhundert beginnen lässt, betrachtet die Welt als geschlossenes System von ihren Grenzen her. Zur gleichen Zeit berechnet der Ökonom Thomas Malthus die Grenzen der Welt in einem Bevölkerungsgesetz. Er ist davon überzeugt, dass die Bevölkerung sich alle 25 Jahre verdopple, die Nahrung auf der Erde aber linear wachse. Die Grenzen des Wachstums seien erreicht, wenn die gesamte Welt zum Acker und Garten geworden sei. Dem „weißen Paradies“ der Schöpfungsgeschichte setzt Malthus also ein „schwarzes“ Paradies entgegen. Der Sündenfall braucht Eva nicht — er kommt durch die schlichte Existenz der Grenzen in die Welt.
Man könne nur berechnen, was man auch in eine endliche Anzahl von Prozessen übersetzen könne, schreibt Alan Turing, Mathematiker und Erfinder unserer Computerarchitektur, 1936. Berechenbarkeit erfordert notwendig Endlichkeit und eine Grenze. Der erste Bericht des Club of Rome, „Limits to Growth“ (1972), hat Malthus’ Begriff der Grenze auf die Monte-Carlo-Analysen übertragen. Doch die Erde als geschlossenes System und Paradies zu betrachten, ist bloß der erste Schritt. Will man digitale Berechen- und Planbarkeit herstellen, muss man alle infiniten Pro-zesse und Eigenschaften der Erde auf endliche Prozesse reduzieren. Aber wie kann man die Modelle erneut auf die Welt übertragen, wie sie mit dem Schmutz und Humus der analogen Welt anreichern?
Am Beispiel der Grenze diskutiert mein Beitrag zuerst die Karriere der schwarzen Paradiese, um in einem zweiten Schritt den Grenzbegriff auf die Frage der Berechenbarkeit anzuwenden: Welchen Gebrauch machen wir von den Metaphern, Narrationen und Szenarien der Grenze? Gibt es jenseits der Berechenbarkeit andere Kulturen der Nachhaltigkeit: Wie sehen Szenarien jenseits der weißen und schwarzen Paradiese der Berechenbarkeit aus?
Video 1:33:49